Ich begrüße es, dass für Audio optimierte Fertigsysteme angeboten werden.
Was ich schade finde, dass hier das Thema Audio PC so isoliert betrachtet wird.
Dabei gibt es Gemeinsamkeiten beim PC Tuning, egal ob der PC für Audio oder Recording verwendet wird.
Auch für alle anderen – gerade auch zeitkritischen Aufgaben – die ein PC erledigen muss, sind geringe DPC Latenzen sehr wünschenswert.
Zudem werden leider immer noch diese alten Optimierungs-Mythen befeuert, dass ein Recording PC nur für Recording verwendet werden sollte, aber bitte kein LAN/Internet Anschluss und auch keine Gamer Karte.
Gerade, wo es sich hier um ein Gamer Magazin / Forum handelt, sollte man hier doch eher darauf bedacht sein, darzustellen und auch klarzustellen, dass sich Recording und Gaming nicht ausschließen.
Zum Thema Schlüsselfertiger Recording PC
Was ich mir generell wünschen würde, gerade auch von einem Anbieter solcher schlüsselfertigen Systeme für Audio:
1. einigermaßen normierte Tests zum Ermitteln der DPC Latenz.
2. eine Dokumentation, wie gemessen wird und welche Ergebnisse ermittelt wurden
3. Sowas wie ein Lastenheft / Dokumenation, was eigentlich alles am System optimiert und getestet wurde, um hier den Mehrwert der Optimierung auch zu dokumentieren und den Anwender in die Lage zu versetzen, die Optimierungen ggf auch selbst überprüfen bzw auch wiederherstellen zu können.
Vielleicht auch Scriptbasiert, um diesen Zustand ausgehend von einer Neuinstallation auch selbst wieder herstellen zu können. Hier fürchte ich, dass bei Windows Updates die eine oder andere Optimierung von Microsoft wieder zurückgesetzt wird. Daher mache ich das auch lieber selbst, dann weiß ich wenigstens was zu tun ist und kann die Dinge selbst wieder geradeziehen.
4. die Weiterentwicklung von LatencyMon, die Latenzen nach einer Messung in einer Grafik auszugeben, so dass man die Resultate über den gesamten Messzeitraum besser auswerten kann hinsichtlich "absoluter" und "Recurring-Peaks".
Hier noch einige Anmerkungen zur PC-Optimierung für Audio/Recording:
A) hinsichtlich gewisser Parallelen zu den Anforderungen eines Gaming PCs
B) was gewisse Mythen anbelangt, über die man immer wieder stolpert, aber eigentlich gegenstandslos sind
A) Parallelen zu den Anforderungen eines Gaming PCs:
Was viele nicht sehen, ist, dass ein System mit geringen DPC Latenzen auch für alle anderen Aufgaben hervorragend geeignet ist. Denn geringe DPC Latenzen bedeuten, dass ein System, genauer gesagt dessen CPU Kerne, weder durch Energiesparfunktionen noch durch schlechte Treiber ausgebremst werden.
Ein Treiber ist schlecht und führt zu höheren DPC Latenzen, wenn der Entwickler dem Treiber zu viel CPU Zeit zugesteht, denn ein Treiber kann einen CPU-Kern (zwecks Wahrung der Datenintegrität) nur von sich heraus freigeben. Das sind reine Programmierkonventionen, die fest im Treiber kodiert sind und vom Anwender nicht verändert werden können. Diese sogenannten "low level routinen" (oder halt Treiber) haben im System die höchste Priorität zwecks Wahrung der Datenintegrität und werden deshalb auch NICHT durch den Prozess-Scheduler des Betriebssystems gemanagt. Andere Tasks, die der Task-Scheduler dem Kern zur Ausführung zugewiesen hat, müssen so lange warten, bis die "low level routinen" abgearbeitet sind (-> DPC Latenzen).
Werden hierdurch Audio Prozesse zu stark verzögert, dann kann es zu Audio Aussetzern kommen. Speziell bei hoher System- bzw. Interrupt Last und wenn im Audio-Bereich mit kleinen Puffergrößen gearbeitet wird. Das ist für geringe Latenzen beim Monitoring erforderlich, wenn Audio über die DAW geroutet wird oder beim Spielen virtueller Instrumente.
Aber geringe DPC Latenzen, effizient arbeitende CPU Cores sind auch beim Gaming und anderen Applikationen, auch Virtualisierung, nicht uninteressant. Beim Einsatz mehrerer Grafikkarten waren beispielsweise Mikro Ruckler auch mal ein unerwünschtes Phänomen. Das könnte man ebenfalls als so etwas wie "unerwünschte Latenzen" im Bereich der GPU(en) ansehen.
Genauso unerwünscht ist, wenn CPU Kerne beim Gaming nicht agil auf eine Workload (dem Game) reagieren können, sondern durch schlechte DPC Latenzen ausgebremst werden. Beim Gamen ist das neben der Abarbeitung des Programmcodes vor allem auch der Datenaustausch mit der GPU hinsichtlich hoher FPS.
Hierzu gibt es bei PC Games HW entsprechenden Berichte und Upgrade Empfehlungen darüber, welche CPU Leistung erforderlich ist, um eine bestimmte High End Grafikkarte überhaupt richtig ausnutzen zu können.
Wenn also eine nicht so leistungsfähige CPU eine Grafikkarte ausbremst, dann aber auch sicherlich eine CPU mit zu hohen DPC Latenzen. Und hier schließt sich der Kreis! Viele Optimierungen, die für die Audiobearbeitung erfolgen, sind letztlich auch fürs Gaming von Vorteil.
B) Trennen von einigen Mythen hinsichtlich PC-Setup / Ausstattung für Recording
Was das Thema PC Optimierung für Audio anbelangt, habe ich inzwischen 10 Jahre Praxis im Optimieren von Systemen von Audio. Ein schlüsselfertiges System für Audio war damals zu teuer. Entsprechende Vorkenntnisse, wie ein PC und das/ein Betriebssystem arbeitet, waren definitiv von Vorteil.
Meine Erfahrung ist, dass es rund um dieses Thema einige Mythen gibt. Auf 2 dieser Mythen, die leider auch wieder in diesem Artikel bzw der PC Zusammenstellung befeuert werden, möchte ich eingehen.
1. Es ist nicht erforderlich, auf einen Netzwerkanschluss oder eine Grafikkarte zum Gamen zu verzichten. Hier ist man einfach nur gefordert, geeignete Produkte mit guten Treibern zu verwenden. Details siehe unten.
2. Das Gleiche gilt auch für den Einbau einer fürs Gaming geeigneten Grafikkarte. Mein PC wurde im Laufe der 10 Jahre an vielen Stellen aufgerüstet und optimiert. Was Grafikkarten anbelangt, habe ich gute Erfahrungen mit NVIDIA GTX 970, GTX 980, RTX 2070 Super und RTX 4070 gemacht.
Beim Kauf einer solchen Grafikkarte sollte man unbedingt darauf achten, dass die Karte ein Zero Fan Feature hat, und die Lüfter bis 60 °C nicht anspringen. Gutes Kühldesign und große Lüfter, bis zu 3 sind hier ein Plus.
Und auch bei den Lüfterdesigns gibt es Unterschiede, manche Lüfter, wenn sie beim Gaming doch mal anspringen, sind vom Laufgeräusch her angenehmer als andere. Die Karten von MSI haben hier ein optimales Lüfterdesign, auch im Betrieb nahezu unhörbar.
Fazit: das bedeutet, in allen Betriebsarten (außer beim Gamen) keinerlei Geräusche und keine Verschlechterung der DPC Latenzen. Selbst beim Gamen ist die Karte unhörbar, weil die Lüfter extrem leise sind und ich ein gedämmtes Gehäuse von Fractal Design verwende.
Allerdings ist Folgendes zu beachten:
Bei den Modellen RTX 2070 Super und RTX 4070 waren aber noch einige Dinge zu beachten.
Ich hatte trotz optimierten Systems leider immer noch sporadische Audio Aussetzer beim reinen Playback, die nicht auf Systemlast oder DPC Latenzen zurückzuführen waren.
Hier habe ich im Steinberg Forum zu Cubase einen wertvollen Tip erhalten, der das Problem komplett löste:
a) Es müssen mit einem Tool namens "Powermizer" (eines russischen Entwicklers) die Energiesparfunktionen der nVidia Grafikkarte abgeschaltet werden
b) dann noch 2–3 Einstellungen im nVidia Treiber.
- Energieverwaltungsmodus: max Performance bevorzugen
- Threaded Optimierung: Ein
Es ist auch empfehlenswert, diese Einstellung beizubehalten, sonst kann es bei einigen Tools (zB Audio Analyse Tools) mit Grafikausgabe passieren, dass die GPU mit maximaler Leistung arbeitet, obwohl es nicht erforderlich ist
- Vertikale Synchronisierung: Einstellung für 3D Anwendungen verwenden
Den Energieverbrauch habe ich nachgemessen: er ist im normalen Betrieb nicht nennenswert gestiegen.
Manchmal ist die Temperatur etwas höher, aber bleibt im Rahmen.
Thema Netzwerkanschluss: war bei meinem Supermicro Board (X10SRi-F) nie ein Problem. Hier habe ich sehr gute Erfahrungen mit Intel NICs und Treibern gemacht. Sowohl die auf dem Mainboard befindlichen 1 Gbit Ports, als auch eine Intel X710-DA2 (10 Gbit Karte mit 2x SFP+) laufen problemlos und erzeugen keine zu hohen DPC Latenzen.
Ein kleiner Test hierzu: Aufruf von 70 Webseiten gleichzeitig aus einem Firefox Bookmark Folder rund um das Thema Fotografie (viel Text und Bilder). Dabei Abspielen von Audio über Recording Interface (RME UFX III) mit der geringsten ASIO buffer size (32 Samples @44.1 kHz).
Ergebnis: keinerlei Audioaussetzer. LatencyMon zeigt natürlich höhere DPC Latenzen, aber alles bewegt sich unter einer Millisekunde, was von dem Tool als Grenze angesehen wird, ob ein PC für Audiobearbeitung geeignet ist.
Aber wer würde auch schon bei der Audiobearbeitung über DSL 256 eine so hohe Netzwerklast erzeugen. Sehr unwahrscheinlich.
Dieser Stress-Test belegt aber eindrucksvoll, dass man auf einen LAN Anschluss nicht verzichten muss. WLAN ist ein anderes Thema. Wäre auch ungünstig, denn hierüber läuft meistens Backup auf NAS und einige DAW Produkte bieten seit Jahren Collaboration Features über Internet.
Thema weitere Optimierung:
Es gibt gute Tools zur weiteren Optimierung, zwei möchte ich hier nennen
- Bitsum Parkcontrol: lässt sich gut zum Optimieren der Energieprofile verwenden
- Bitsum Process Lass Pro: hier kann man zB in Abhängigkeit der verwendeten Applikation automatisch das Energieprofil wählen lassen oder wenn man mal nicht am PC ist, automatisch in den Energiesparmodus wechseln. Darüber hinaus gibt es weitreichende Funktionen für Prozess-Pinning (die ich nicht nutze) oder auch um Prozesse bei den neueren Intel CPUen auf die P-Cores zu pinnen und von den E-Cores fernzuhalten.
Optimieren der Energieprofile
Ferner sollte man sich noch für das Optimieren eines Audio PCs die Energieprofile genauer betrachten und das Energiesparen für USB und PCIe abstellen.
Es schadet auch nichts, so wie auch früher oft empfohlen, in den Windows Einstellungen das System für Hintergrunddienste zu optimieren. Nach meinen Recherchen bewirkt das, dass das Zeitquantum, nach dem die CPU / der Process Scheduler arbeitet, umgestellt wird. Dann wird ähnlich wie bei Windows Server ein sowohl längeres als auch festes Zeitquantum eingestellt. Die Folge: die CPU kann einen anstehenden Task etwas länger und somit effizienter bearbeiten, als wenn der Taskwechsel zu schnell erfolgen würde. Also weniger Kontext Switches bei dem die CPU wieder alle möglichen Register saven und die eines anderen Prozesses restoren muss. Die CPU kann dann effizienter arbeiten.
Windows - Nach Hause telefonieren & Co. / Reduzierung der System „Grundlast“
Last but noch least: O&O Win10 Shutup ermöglicht einige sinnvolle Einstellungen, um die Hintergrundlast des Systems zu minimieren.
Hier kann man auch noch einiges "zum Guten wenden", damit der Rechner kein unnötiges Zeug im Hintergrund veranstaltet.
Nun ist es doch mehr geworden, als ich eigentlich vorhatte, zu schreiben.
Ich hoffe, für den einen oder anderen waren ein paar interessante Appetithappen dabei.
Eine vollständige Liste für das Tuning für Audio ist es natürlich nicht und sollte es auch nicht werden.