ruyven_macaran
Trockeneisprofi (m/w)
Für die, die es nicht mitbekommen haben:
Das Frauenhofer Institut hat eine neue Studie (PDF) zur Umweltbilanz von Benzin-, Diesel- und Batterieautos inklusive des jeweiligen Herstellungsaufwandes vorgestellt. Dabei wurden auch so Dinge wie Ladezeiten und Stromverteilung sowie unterschiedliche Quellen, aber auch die Ölförderung, -aufbereitung und -transport berücksichtigt. Also all das, worüber sonst nur spekuliert wird und unterm Strich stehen einige, meiner Meinung nach, interessante/überraschende/diskutable Feststellungen:
Auf den ersten Blick beispielsweise, dass ein kompakter Benziner schon nach einem Quartal/4000 km in etwa soviel Emissionen wie eine Elektroauto inklusive Herstellung verursacht hat, wenn letzteres nur aus der eigenen PV-Anlage geladen wird. Nach 10 Jahren und 130000 km hat das Batterieauto beim angenommen deutschen Strommix rund 33% CO2 eingespart/der Benziner 50% mehr verbraucht. Beim Kleinwagen Diesel sind es laut Studie immer noch 35% höhere gesamt-CO2-Emissionen.
Soweit, so gut. Was mir in der Berichterstattung über die Studie aber ein Bißchen zu kurz kommt, sind die Bedingungen, die die Forscher für diese Hochrechnungen postulieren. Die 50% gelten nämlich nur,
- wenn man einen E-Golf mit kleiner, leichter, günstig zu fertigender Batterie und einer Reichweite von nur 170 km (bei Kälte deutlich weniger) zugrundelegt, aber trotzdem davon ausgeht, dass er für genau das gleiche durchschnittliche Fahrtpensum genutzt wird, wie ein 600+ km Benziner.
- und wenn man total überhöhte Vergleichswert für den Benziner aus einem zwei Jahre alten Durchschnitt aller Benziner in einem anderen Testzyklus nimmt.
- und wenn man zusätzlich voraussetzt, dass die Bundesregierung ihr Ziel von 50% CO2-Einsparung bei der Stromproduktion bis 2030 erreicht.
- und wenn man zusätzlich und ausdrücklich ignoriert, dass ein steigender Stromverbrauch z.B. durch E-Autos die Abschaltung fossiler Kraftwerke verzögert
Man beachte die "und"-Verknüpfung dieser vier Punkte: Nur wenn jeder einzelne Zutrifft, gelten die Frauenhofer-Zahlen.
Allein wenn man unter gleichen Bedingungen gemessene Verbrenner-Verbräuche statt Märchenzahlen verwendet und eine realistische Strommarktentwicklung annimmt, verschiebt sich die Sache aber schon zu einem Nullsummenspiel/leichten Vorteil für einen kompakten Benziner. Aus 50% Mehr- werden 0 bis 5% Minderverbrauch. Beim Kleinwagen-Diesel bleiben von 35% Mehremission nur 0 bis 5% übrig. (Zu Gasverbrenner, die nochmal rund 20% Vorteil gegenüber einem Benziner haben können, sagt Frauenhofer vorsichtshalber mal gar nichts.
Das ist für mich die erste Überraschung der Studie:
Ein dem Batterieauto von den Alltagseigenschaften her in jeder Hinsicht überlegener Verbrenner kann genauso sauber sein. Die Bilanz lässt sich mit besserem Lademanagement leicht zugunsten des E-Autos verschieben; wenn man bedenkt dass E-Auto-Besitzer aber für einen Teil ihrer Fahrten noch zusätzlich einen Verbrenner brauchen/mieten werden und dann nicht nur genauso viel CO2 erzeugen, sondern auch zusätzlichen Produktionsaufwand, rechnet sich das ganz schnell wieder raus. Wenn heutige Elektroautos nicht über deutlich längere Zeiträume eingesetzt werden, als vom Frauenhofer für alle untersuchten Autos angenommen wurde, verschlechtert sich die Bilanz weiter, da mit einem Reichweiten-beschränkten 30 kWh-Golf eben gar nicht die nötigen Kilometer in der untersuchten Zeit zusammen kommen und ein Batterieauto mit mehr Akku einen deutlich höheren Herstellungsaufwand und wegen dem Gewicht einen höheren Verbrauch bei sonst gleichen Eigenschaften hätte. (Ich glaube allerdings, dass die angesetzten 13 Jahre sowohl für E-Autos als auch Verbrenner zu kurz sind; die Lebensdauerbilanz verschiebt sich bei 20 Jahren und 200000 km wieder etwas zugunsten der Batterieautos)
Die zweite Überraschung sind die beschriebene methodischen Fehler als solche. Man könnte meinen, da hätten pensionierte Pneumologen gerechnet. Oder andere stark voreingenommene Personen.
Die dritte, für mich nicht überraschende, aber erneut festzuhaltende Festellung ergibt sich aus der Einbeziehung möglicher Kraftwerksabschaltungen: Ein Elektroauto bringt nicht nur keinen Umweltvorteil und verschlingt für Anschaffung und Infrastruktur nicht nur erhebliche Mittel, die direkt im Klimaschutz etwas hätten bewirken können. Solange es verhindert, dass Kohlekraftwerke abgeschaltet werden, verursacht es sogar doppelt so hohe Emissionen und schadet damit aktiv dem Klima.
So, Diskussion eröffnet - Feuer frei.
Anm.: Bei 100% Ökostrom vom eigenen Dach sieht die Sache natürlich deutlich besser aus. Aber das ist für die Mehrheit der deutschen Haushalte schlicht nicht möglich, da man dafür ein eigenes Haus samt Parkplatz auf dem eigenen Grundstück und reichlich Geld auf dem eigenen Konto braucht. Ebenfalls positiver für E-Autos würde eine längerfristige Bilanz aus, da der CO2-Ausstoß eines Benziners nach dem Kauf konstant bleibt, während auch ein altes Batterieauto von Veränderungen in der Kraftwerksstruktur profitieren würde. Bis diese sich so stark geändert hat, dass die dritte Schlussfolgerung umgekehrt wird, werden aber locker 15-25 Jahre, wenn nicht 30 Jahre vergehen und so alt werden heutige Autos nur mit Mühe. Grund für die Entsorgung sind dabei selten Motor- und eher Fahrwerksprobleme oder schlicht Rost, wovon ein Batterieauto gleich oder aufgrund des hohen Gewichtes sogar eher betroffen ist. Technisch wäre es leicht möglich, diese Probleme zu umgehen, aber real verdienen Autobauern nichts an Autos, die lange halten und schon heute wird die Produktion konsequent auf Neuwagenkäufer und somit die ersten 4-5 Jahre ausgerichtet. Ehe man den Batterieautos einen Langzeitbonus anrechnen kann, müssen sie also erst einmal eine überdurchschnittliche Lebensdauer beweisen.
Das Frauenhofer Institut hat eine neue Studie (PDF) zur Umweltbilanz von Benzin-, Diesel- und Batterieautos inklusive des jeweiligen Herstellungsaufwandes vorgestellt. Dabei wurden auch so Dinge wie Ladezeiten und Stromverteilung sowie unterschiedliche Quellen, aber auch die Ölförderung, -aufbereitung und -transport berücksichtigt. Also all das, worüber sonst nur spekuliert wird und unterm Strich stehen einige, meiner Meinung nach, interessante/überraschende/diskutable Feststellungen:
Auf den ersten Blick beispielsweise, dass ein kompakter Benziner schon nach einem Quartal/4000 km in etwa soviel Emissionen wie eine Elektroauto inklusive Herstellung verursacht hat, wenn letzteres nur aus der eigenen PV-Anlage geladen wird. Nach 10 Jahren und 130000 km hat das Batterieauto beim angenommen deutschen Strommix rund 33% CO2 eingespart/der Benziner 50% mehr verbraucht. Beim Kleinwagen Diesel sind es laut Studie immer noch 35% höhere gesamt-CO2-Emissionen.
Soweit, so gut. Was mir in der Berichterstattung über die Studie aber ein Bißchen zu kurz kommt, sind die Bedingungen, die die Forscher für diese Hochrechnungen postulieren. Die 50% gelten nämlich nur,
- wenn man einen E-Golf mit kleiner, leichter, günstig zu fertigender Batterie und einer Reichweite von nur 170 km (bei Kälte deutlich weniger) zugrundelegt, aber trotzdem davon ausgeht, dass er für genau das gleiche durchschnittliche Fahrtpensum genutzt wird, wie ein 600+ km Benziner.
Dabei ist ersterer schon bei vielen Sonntagsausflügen und sämtlichen Verwandschaftsbesuchen aus dem Rennen, wenn am Zielort kein Ladesäule steht (mit dem lahm ladenden E-Golf reicht nicht einmal eine Säule in der Nähe). Um die Strecke nur mit Pendeln zu schaffen müsste man übrigens jeden Arbeitstag rund 30 km hin und wieder zurückfahren - das ist beinahe das doppelte des deutschen Durchschnitts, dessen Fahrverhalten die Studie zu Grunde legt.
- und wenn man total überhöhte Vergleichswert für den Benziner aus einem zwei Jahre alten Durchschnitt aller Benziner in einem anderen Testzyklus nimmt.
Die Frauenhofer rechnen mit 7,6 l/100 km für den kompakten Verbrenner, obwohl der Golf 1,5 TSI im gleichen ADAC-Ecotest, dessen Verbrauchswert für das Batterieauto herangezogen wurde, nur 5,8 l/100 km gebraucht hat. Selbst ein GTI bringt es nur auf 7,2 l/100 km. Mit dem älteren 1,4 TSI habe ich bei einer Probefahrt im letzten Jahr 5,5 l/100 km bei Schnitt 115 km/h geschafft, was für den E-Golf schon eher viel wäre. Dessen mickrige Fahrleistungen liegen auf der Autobahn noch unter einem Golf 1,0 TSI. Letzterer braucht auf Spritmonitor.de rund 10% weniger, als ein 1,5er, wie ihn der ADAC getestet hat. Bedeutet für den Frauenhofer Vergleich: Der Vergleichs-Benziner hätte eigentlich mit 5,2 l/100 km statt 7,6 l/100 km in die Berechnung eingehen müssen. Die Studie hat die Verbrauchsangaben für Benziner künstlich um 45% (!) zu hoch angesetzt.
Genauso kurios sind übrigens die Diesel-Werte für Kleinwagen. Zwar wird hier ausnahmsweise auch der ADAC zitiert, wie bei den Elektroautos, aber eine Veröffentlichung, die gar keine ADAC-eigenen Messwerte enthält, sondern Herstellerangaben. Und in der die in die Studie übernommenen 5,2 l/100 km der schlechteste aller Werte ist. Der beste Kleinwagen-Diesel unter den (sehr wenigen) getesteten Dieseln liegt dagegen bei 4,1 l/100 km. Frauenhofer zaubert also aus dem nichts einen 25% Mallus für Diesel herbei.
Genauso kurios sind übrigens die Diesel-Werte für Kleinwagen. Zwar wird hier ausnahmsweise auch der ADAC zitiert, wie bei den Elektroautos, aber eine Veröffentlichung, die gar keine ADAC-eigenen Messwerte enthält, sondern Herstellerangaben. Und in der die in die Studie übernommenen 5,2 l/100 km der schlechteste aller Werte ist. Der beste Kleinwagen-Diesel unter den (sehr wenigen) getesteten Dieseln liegt dagegen bei 4,1 l/100 km. Frauenhofer zaubert also aus dem nichts einen 25% Mallus für Diesel herbei.
- und wenn man zusätzlich voraussetzt, dass die Bundesregierung ihr Ziel von 50% CO2-Einsparung bei der Stromproduktion bis 2030 erreicht.
Was von so ziemlich allen Experten und Umweltverbänden für die bislang vorliegenden Maßnahmen bei weitem ausgeschlossen wird. Analysten, die bislang mit all ihren Prognosen richtig lagen, während Merkel noch nicht einmal eins ihrer Klimaziele erreicht hat und seien sie noch so lasch gewesen. Da eine lineare Projektion genommen wird, ergibt sich über den betrachteten Zeitraum eine 25% Reduktion der CO2-Emissionen des Batterieautos, deren erreichen fraglich ist. Die Reduktion bis 2020 viel 25% geringer aus, als angestrebt - sollte sich das 2030 wiederholen, wären die Emissionen des Batterieautos also 7% höher zu veranschlagen. (Ich glaube aber nicht, dass sich das 1:1 wiederholt. Denn die Ziele sind diesmal etwas ambitionierter, die Handlungsbereitschaft ist noch geringer, es gibt keine rotgrünen Vorlagen als Starthilfe und vor allem wurde die erreichte Reduktion bis 2020 von einer globalen Wirtschaftskrise begünstigt, die auch niemand wiederholen möchte. Es ist also mit einer größeren Lücke 2030 zu rechnen und somit 10+% mehr CO2 für das Baterrieauto, als in den Frauenhofer-Annahmen.)
- und wenn man zusätzlich und ausdrücklich ignoriert, dass ein steigender Stromverbrauch z.B. durch E-Autos die Abschaltung fossiler Kraftwerke verzögert
Zusätzliche Stromverbraucher arbeiten aber gar nicht nicht mit dem durchschnittlichen Strommix. Sondern vorwiegend mit Braunkohle, die bei sinkendem Stromkonsum gar nicht verfeuert werden müsste und die statt 480 g CO2/kWh, mit denen Frauenhofer rechnet, satte 1000 g CO2/kWh erzeugt, bei Steinkohle sind es immer noch 800 g CO2/kWh. Die CO2-Emissionen des Batterieautos verdoppeln sich also, wenn man Kraftwerksabschaltungen berücksichtigt, die bei Nutzung eines Verbrenners möglich wären.
Man beachte die "und"-Verknüpfung dieser vier Punkte: Nur wenn jeder einzelne Zutrifft, gelten die Frauenhofer-Zahlen.
Allein wenn man unter gleichen Bedingungen gemessene Verbrenner-Verbräuche statt Märchenzahlen verwendet und eine realistische Strommarktentwicklung annimmt, verschiebt sich die Sache aber schon zu einem Nullsummenspiel/leichten Vorteil für einen kompakten Benziner. Aus 50% Mehr- werden 0 bis 5% Minderverbrauch. Beim Kleinwagen-Diesel bleiben von 35% Mehremission nur 0 bis 5% übrig. (Zu Gasverbrenner, die nochmal rund 20% Vorteil gegenüber einem Benziner haben können, sagt Frauenhofer vorsichtshalber mal gar nichts.
Das ist für mich die erste Überraschung der Studie:
Ein dem Batterieauto von den Alltagseigenschaften her in jeder Hinsicht überlegener Verbrenner kann genauso sauber sein. Die Bilanz lässt sich mit besserem Lademanagement leicht zugunsten des E-Autos verschieben; wenn man bedenkt dass E-Auto-Besitzer aber für einen Teil ihrer Fahrten noch zusätzlich einen Verbrenner brauchen/mieten werden und dann nicht nur genauso viel CO2 erzeugen, sondern auch zusätzlichen Produktionsaufwand, rechnet sich das ganz schnell wieder raus. Wenn heutige Elektroautos nicht über deutlich längere Zeiträume eingesetzt werden, als vom Frauenhofer für alle untersuchten Autos angenommen wurde, verschlechtert sich die Bilanz weiter, da mit einem Reichweiten-beschränkten 30 kWh-Golf eben gar nicht die nötigen Kilometer in der untersuchten Zeit zusammen kommen und ein Batterieauto mit mehr Akku einen deutlich höheren Herstellungsaufwand und wegen dem Gewicht einen höheren Verbrauch bei sonst gleichen Eigenschaften hätte. (Ich glaube allerdings, dass die angesetzten 13 Jahre sowohl für E-Autos als auch Verbrenner zu kurz sind; die Lebensdauerbilanz verschiebt sich bei 20 Jahren und 200000 km wieder etwas zugunsten der Batterieautos)
Die zweite Überraschung sind die beschriebene methodischen Fehler als solche. Man könnte meinen, da hätten pensionierte Pneumologen gerechnet. Oder andere stark voreingenommene Personen.
Die dritte, für mich nicht überraschende, aber erneut festzuhaltende Festellung ergibt sich aus der Einbeziehung möglicher Kraftwerksabschaltungen: Ein Elektroauto bringt nicht nur keinen Umweltvorteil und verschlingt für Anschaffung und Infrastruktur nicht nur erhebliche Mittel, die direkt im Klimaschutz etwas hätten bewirken können. Solange es verhindert, dass Kohlekraftwerke abgeschaltet werden, verursacht es sogar doppelt so hohe Emissionen und schadet damit aktiv dem Klima.
So, Diskussion eröffnet - Feuer frei.
Anm.: Bei 100% Ökostrom vom eigenen Dach sieht die Sache natürlich deutlich besser aus. Aber das ist für die Mehrheit der deutschen Haushalte schlicht nicht möglich, da man dafür ein eigenes Haus samt Parkplatz auf dem eigenen Grundstück und reichlich Geld auf dem eigenen Konto braucht. Ebenfalls positiver für E-Autos würde eine längerfristige Bilanz aus, da der CO2-Ausstoß eines Benziners nach dem Kauf konstant bleibt, während auch ein altes Batterieauto von Veränderungen in der Kraftwerksstruktur profitieren würde. Bis diese sich so stark geändert hat, dass die dritte Schlussfolgerung umgekehrt wird, werden aber locker 15-25 Jahre, wenn nicht 30 Jahre vergehen und so alt werden heutige Autos nur mit Mühe. Grund für die Entsorgung sind dabei selten Motor- und eher Fahrwerksprobleme oder schlicht Rost, wovon ein Batterieauto gleich oder aufgrund des hohen Gewichtes sogar eher betroffen ist. Technisch wäre es leicht möglich, diese Probleme zu umgehen, aber real verdienen Autobauern nichts an Autos, die lange halten und schon heute wird die Produktion konsequent auf Neuwagenkäufer und somit die ersten 4-5 Jahre ausgerichtet. Ehe man den Batterieautos einen Langzeitbonus anrechnen kann, müssen sie also erst einmal eine überdurchschnittliche Lebensdauer beweisen.
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